Kuhstallpille für Allergiegeplagte

Fachleute sehen im geringen Schmutzkontakt einen Mitverursacher der Allergien und forschen an einer so genannten Kuhstallpille.

Allergiker mussten heuer bereits mit teils rasant ansteigendem Pollenflug und entsprechender Belastung zurechtkommen. Der Kälteeinbruch im Februar ließ den Pollenflug dann aber wieder regelrecht einfrieren und gewährte Pollenallergikern eine länger anhaltende Pause. Doch mit der plötzlichen Wärme kam auch wieder der Pollenflug der Frühblüher in Schwung. Katharina Bastl vom Österreichischen Pollenwarndienst der Medizinischen Universität Wien gibt aber auch Hoffnung: „Ein intensiver Pollenflug muss nicht zwingend heißen, dass auch die empfundene Belastung stark ist. Denn wie Allergiker darauf reagieren, hängt davon ab, wie die Saison beginnt und verläuft.“
Wird es kontinuierlich wärmer, kann sich der Körper besser auf die Belastung einstellen und empfindet die Saison als insgesamt nicht so stark. Erleben wir weiterhin starke Temperaturschwankungen, werden die Belastungen jedoch bedeutend stärker erlebt. Allergiker sollten sich in jedem Fall rüsten, denn eine Pollenallergie ist nicht einfach nur lästig, sie betrifft den gesamten Körper. „Sind Allergiker ihren Beschwerde-Auslösern ausgesetzt, verändert sich auch das Blutbild. Die Zahl der roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff aus der Lunge durch den Körper transportieren, sinkt im Blut während der Allergenexposition signifikant auf ein Ausmaß einer leichten Anämie ab und das Krankheitsgefühl bei Allergie-Symptomen verstärkt sich“, erklärt Erika Jensen-Jarolim vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung an der Medizinischen Universität Wien.
Die Diagnose einer Pollenallergie basiert auf den drei Säulen Anamnese, Hauttest und Blutscreening, wobei letzteres zunehmend an Bedeutung gewinnt. Jensen-Jarolim: „Die Blutuntersuchung hat sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt. Besonders genau ist die sogenannte komponentenbasierte Diagnostik.“ Hier können nicht nur die Allergie-Auslöser als Ganzes untersucht werden – ein Allergenextrakt besteht aus vielen Bestandteilen – sondern es lässt sich ganz gezielt herausfinden, gegen welche einzelnen Moleküle in dieser Mischung der Patient beziehungsweise die Patientin reagiert. Diese Errungenschaft hilft, Exposition gegen Umweltallergene festzustellen und unterstützt ein zielgerichtetes und rasches Identifizieren des beschwerdeauslösenden Allergens.
Was Pollenallergien fördert weiß die Expertin genau: Der Pflanzenstress durch Umweltgifte fördert die vermehrte Produktion von Pollen und mehr Allergenen darin. Viele Allergene sind Pflanzen-Verteidigungsproteine, die als Schutz vermehrt produziert werden. Weiters verbinden sich etwa Dieselabgase mit Pollen – stark befahrene Strassen führen daher zu einer zweiseitigen Umweltproblematik: Wir und die Pflanzen andererseits.
Andererseits werden unsere Hautbarrieren durchlässiger: Ursache sind Reinigungsmittel, übertriebene Hygiene, Enzyme in Waschmitteln und Reste in Kleidung, Pollen am Kopfpolster bei offenem Fenster und fehlende Pollenfilter im Auto. Dadurch können atopische Ekzeme blühen, Bronchitis, Husten und Asthma. Schnupfen und Bindehautentzündgung sind die Folgen.
Und zu wenig Schmutzkontakt fördert Allergien. Ideal wären regelmäßige Urlaube auf einem Bauernhof mit Kuhstall, da Kühe einen Asthma- und Atopie-Schutzfaktor produzieren. „Wir arbeiten an einer Kuhstallpille“, erzählt Jensen-Jarolim. „Aufenthalt in Kuhställen wäre super, schon in der Schwangerschaft und mit kleinen Kindern. Das Trinken von nicht-pasteurisierter aber aufgekochter Milch wäre gut. Ich empfehle die Allergen-Immuntherapie (AIT). Das ist das Einzige, das eine Verschlechterung und einen Etagenwechsel von Nase in die Lunge verhindern kann. Voraussetzung dafür ist eine frühe Diagnose und die Planung der AIT schon im Herbst. Dann geht es in der nächsten Pollensaison schon besser“, sagt Jensen-Jarolim.
Was gut helfen kann sind auch ätherische Öle. Ihre antiallergischen Effekte und ihre Inhaltsstoffen sind vielfältig und seit rund 25 Jahren Thema von wissenschaftlichen Untersuchungen, weiß der Wiener Lungenfacharzt und Experte für Aromatherapie Wolfgang Steflitsch. „Bereits seit Jahrhunderten werden ätherische Öle mit Erfolg zur Linderung von allergischen Erkrankungen verwendet“, erzählt er. Wertvolle Inhaltsstoffe von ätherischen Ölen, wie Sesquiterpene, besitzen eine stabilisierende Wirkung auf Zellmembrane, wodurch die Histamin-Ausschüttung verringert werde.
Andere Wirkstoffe, wie Monoterpene, besitzen kortison-ähnliche Eigenschaften. Das Citronellol der Geranie sowie Geranial und Neral von Lemongrass hemmen Immunglobulin E-induzierte allergische Reaktionen. „Lavendel unterdrückt die Freisetzung von Zytokinen der TH2-Helfer-Lymphozyten und erzielt auf diese Weise antiallergische Effekte. Diese Wirkung zeigt auch Schwarzkümmelöl, das zusätzlich die an der allergischen Reaktion beteiligten eosinophilen Granulozyten hemmt. Natürlich müssen bei allergischen Erkrankungen an erster Stelle die medizinische Diagnose, die Vermeidung von Allergenen und die ärztlich empfohlene Behandlung stehen“, erklärt Steflitsch. Die medizinische Aromatherapie könne so auf natürliche Weise helfen, allergische Beschwerden zu lindern. (Ina Schriebl)