Zurück zu den Wurzeln

Umfragen zeigen, dass immer mehr Menschen unter Zeitdruck leiden und die ständige Erreichbarkeit als problematisch empfinden. Der Weg führt zurück zur Natur.

Eine Umfrage des Linzer „market“-Instituts lässt aufhorchen: Bereits 82 Prozent der Menschen leiden unter Zeitdruck. Noch dramatischer wird das, wenn man Vergleiche zur gleichen Umfrage aus dem Jahr 2013 zieht: damals hatten „nur“ 69 Prozent Zeitdruck als Belastungsfaktor genannt. Die ständige Erreichbarkeit über Telefon, Internet oder Social Media erachteten vor fünf Jahren 53 Prozent als problematisch, mittlerweile sind es 67 Prozent der Befragten.
Ausgleich kann der Weg zurück zur Natur bieten. Die Zahl der unterschiedlichsten Angebote nimmt entsprechend zu. Immer mehr Menschen suchen im Urlaub nämlich Eines: Erholung. Eine Studie der Uni Innsbruck hat gezeigt, dass Erholung für mehr als drei Viertel der Menschen Urlaubsmotiv Nummer Eins ist.
Warum tut ein Waldspaziergang eigentlich so gut? Ist es wirklich nur die frische Luft? Ist es die kleine Auszeit, die man sich nimmt? Oder gibt es sie tatsächlich, die besondere Kraft der Bäume, die einem so unversehens wieder Frische in den Kopf zaubert? Wissenschafter und findige Touristiker haben sich in den vergangenen Jahren dieser Frage angenommen. Ein neuer Trend kommt nun aus Japan, die Tradition des „Waldbadens“ – und man liefert auch gleich wissenschaftliche Gesundheitserkenntnisse mit, die durchaus faszinierend sind.
Was Waldbaden konkret bedeutet, erklärt der Umwelt-Immunologe Dr. Qing Li, Präsident der Japanischen Gesellschaft für Wald-Medizin und einer der obersten „Waldbade-Meister“ Japans: „Während des Waldbadens ist es nicht wichtig, sich körperlich zu verausgaben, man sollte den Wald mit allen Sinnen ‚aufsaugen’: dem Murmeln eines Baches lauschen, dem Vogelgesang, die intensive grüne Farbe wahrnehmen, den Duft des Waldes einatmen, etwas aus dem Wald essen und die Bäume berühren.“ Klingt banal – doch was hat es mit Medizin zu tun? Studien belegen, dass sich das Stresshormon Cortisol im Wald verringert und dass diese Reduzierung nicht nur kurzfristig, sondern über Tage anhält. Auch werden Blutzuckerspiegel und Blutdruck gesenkt. Und dafür ist noch nicht einmal Bewegung notwendig: Waldluft wirkt auch, wenn man sitzt.
Tatsächlich hat Waldluft einen direkten Einfluss auf unser Immunsystem, indem sie die Anzahl der Leukozyten ansteigen lässt. Diese erkennen Zellen, die zum Beispiel von Bakterien oder Viren befallen sind – oder auch Krebszellen – und bekämpfen sie. Bereits ein Tag im Wald, so hat die Forschergruppe um Dr. Qing Li herausgefunden, lässt die Anzahl dieser „Killerzellen“ im Blut signifikant ansteigen – für etwa sieben Tage. Verbringt man zwei bis drei Tage im Wald, bleibt eine erhöhte Anzahl und Aktivität von Killerzellen bis zu 30 Tage nachweisbar.
Und unser Immunsystem hat noch einen weiteren Grund zur Freude: Der Grazer Biologe und Waldforscher Clemens Arvay erklärte, dass Pflanzen miteinander kommunizieren – so wie Menschen und Tiere – und sogar mit anderen Lebewesen. Ihre Sprache besteht vor allem aus chemischen Botenstoffen. Damit warnen sich Pflanzen etwa gegenseitig vor Schädlingen – und die noch nicht befallene Pflanze kann schon mal ihr Abwehrsystem hochfahren. Etwa 900 verschiedenen Pflanzenfamilien haben Forscher inzwischen an die 2000 „Duftstoffvokabeln“ zugeordnet, hauptsächlich so genannte Terpene, die auch in ätherischen Pflanzenölen vorkommen. Nicht nur Bäume – auch Kräuter, Moose, Farne, Pilze – sondern Terpene ab. Dieser Cocktail von Botenstoffen, der in der Waldluft schwebt, und den wir über die Haut, vor allem aber über die Lungen aufnehmen, regt auch das menschliche Immunsystem an.
Wie das aussehen kann, zeigt sich etwa im „Curhaus“ Bad Mühllacken, wo das Verweilen im Wald fixer Bestandteil des Gästeprogrammes ist. Bis vor wenigen Jahren hatte das besondere Angebot der Marienschwestern vom Karmel noch keinen Namen – gewirkt hat es trotzdem. Direkt vor der Haustür des „Curhaus“ Bad Mühllacken beginnt das zauberhafte Pesenbachtal, ein Naturjuwel und Naturschutzgebiet besonderer Güte. Nicht nur unzählige Kraft- und Kultplätze verzaubern dort die Menschen seit jeher, auch eine besondere Flora und Fauna lockt in dieses Tal. Der bekannte Förster und Buchautor Werner Buchberger (Waldbaden: Kraft und Energie durch Bäume), Pädagogin Andrea Buchberger sowie Eva Maria Kobler, Business-, Gesundheits- und Naturcoach, ermöglichen in ganztägigen Seminaren eine achtsame Begegnung mit dem Wald und seinen Heilkräften. „Der Grünkraft, wie sie schon Hildegard von Bingen beschreibt, kommt eine ganz besondere Bedeutung für unser Wohlsein zu. Die unzähligen Schattierungen an Grüntönen beruhigen das Nervensystem auf besondere Weise“, sagt Betriebsleiterin Elisabeth Rabeder. (Martin Rümmele, LW2018)