Parkinson? 7 Mythen über Zittern
Zittern heißt nicht immer gleich Parkinson. Welche Ursachen ein Tremor noch haben kann und wann er gefährlich wird, erfahren Sie hier.
Wer ein Zittern (Tremor) bemerkt, denkt schnell einmal an Parkinson. Doch es gibt auch andere Arten von Tremores. Die Österreichische Parkinson Gesellschaft klärt über die sieben häufigsten Mythen rund ums Zittern auf.
Mythos 1: Zittern ist gleich Parkinson
Zittern kann ein Symptom der Parkinson-Krankheit sein, aber es bedeutet nicht zwingend, dass man Parkinson hat. Häufig handelt sich um ein anderes Tremor-Syndrom, wie den essenziellen Tremor. Der essenzielle Tremor ist die häufigste Bewegungsstörung und betrifft immer die Hände. Häufig sind aber auch andere Körperteile wie Kopf oder Stimme betroffen. Typisch ist ein symmetrisches Zittern bei Aktivität, also beim Hochheben, Halten von Gegenständen und beim Bewegen der Hände. Oft wird das Zittern verstärkt, wenn man sich beobachtet fühlt oder gestresst ist. Zu den typischen Symptomen der Parkinson-Krankheit hingegen gehören neben einem Ruhetremor (Zittern eines Körperteils in Ruheposition) auch eine Muskelsteifigkeit (Rigor) und Bewegungsverlangsamung (Bradykinese), wobei Letztere nahezu immer vorhanden ist. Menschen mit Parkinson leiden zusätzlich meist unter nicht-motorischen Symptomen wie einem reduzierten Geruchssinn, Schlafstörungen, Verstopfung, Ängstlichkeit oder depressiver Verstimmung.
Mythos 2: Zittern betrifft nur die Hände
Es ist richtig, dass Finger und Hände am häufigsten von Tremor betroffen sind. Das trifft auf den verstärkten physiologischen Tremor, den essenziellen Tremor und auch auf den Parkinson-Tremor zu. Prinzipiell kann ein Tremor aber jeden Körperteil betreffen, sogar Zunge und Gaumen. Beim essenziellen Tremor und beim dystonen Tremor zittert häufig auch der Kopf. Manchmal sieht das wie eine Ja-Ja-Bewegung und manchmal wie eine Nein-Nein-Bewegung aus. Gerade ein Kopftremor kann schwer unterdrückt werden. Er ist für die Betroffenen daher oft stigmatisierend und sehr belastend.
Mythos 3: Zittern ist ein Kennzeichen von Alkoholkrankheit
Es ist zwar richtig, dass hoher Alkoholkonsum einen Tremor der Hände hervorrufen kann und Menschen mit fortgeschrittener Alkoholkrankheit häufig unter einem Tremor leiden. Der Umkehrschluss, dass einem Tremor meist Alkoholkonsum oder eine Alkoholkrankheit zugrunde liegt, ist aber falsch. Meist liegt dem Zittern eines der häufigen Tremorsyndrome wie der essenzielle Tremor oder ein Tremor bei Parkinson oder Dystonie oder aber eine andere Ursache für einen verstärkten physiologischen Tremor wie eine Schilddrüsenüberfunktion zugrunde. Auch Medikamente wie Psychopharmaka, Asthma- oder Epilepsiemittel können einen Tremor auslösen. Interessant zum Thema Alkohol und Tremor ist jedoch, dass der Konsum einer sehr geringen Alkoholmenge (ab circa 0,2 Promille) zu einer vorrübergehenden Unterdrückung des essenziellen Tremors führt, wobei sich der Tremor nach Abbau des Alkohols wieder verstärkt. Die Ursache hierfür ist nicht gänzlich geklärt. Alkoholmoleküle heften sich im Gehirn an sogenannte NMDA-Rezeptoren, die dadurch blockiert werden. Diese NMDA-Rezeptoren finden sich unter anderem im Kleinhirn, das eine wichtige Rolle in der Tremor-Entstehung spielt. Alkohol ist aber natürlich keine empfohlene Behandlungsoption.
Mythos 4: Zittern ist eine Alterserscheinung
Die Tremor-Häufigkeit steigt zwar mit dem Lebensalter – ein Tremor kann aber auch schon im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter auftreten. Gerade bei Kindern ist es oft schwierig, einen Tremor von anderen Bewegungsstörungen wie Myoklonien (Zuckungen) zu unterscheiden. Behandelbare Tremor-Ursachen sollten nie übersehen werden, da sich die Prognose oft durch eine Verzögerung der Diagnose verschlechtert. Auch der essenzielle Tremor kann bereits im Schulalter beginnen. Hier fällt dann häufig auf, dass die Kinder beim Schreiben zittern. Die Gesamtprävalenz in der Allgemeinbevölkerung bei den unter 20-Jährigen liegt immerhin bei 0,04 Prozent. Auch bei jungen Menschen kann ein Tremor gemeinsam mit Dystonie oder Parkinsonzeichen auftreten, wobei dann immer eine besondere Abklärung erforderlich ist. Auch ein funktioneller Tremor (ohne organische Ursache) kann bereits im Kindesalter vorkommen.
Mythos 5: Zittern ist nichts Besonderes
Zittern, auch im Alter, ist keineswegs „normal“ und bedarf einer Abklärung. Oft steckt ein essenzieller Tremor hinter dem Zittern. Der essenzielle Tremor wird mit dem Alter häufiger und offensichtlicher. Eine Zunahme des Tremors im Verlauf (Progredienz) ist bei spätem Beginn (nach dem 45. Lebensjahr) nach kürzerer Zeit zu beobachten als bei sehr jungen Betroffenen. Während in der Gesamtbevölkerung 0,32 Prozent unter einem essenziellen Tremor leiden, sind es bei den 70- bis 80- Jährigen 1,57 Prozent und bei den über 80-Jährigen rund 3 Prozent. Männer sind jeweils etwas häufiger betroffen als Frauen. Auch die Häufigkeit des Parkinson-Tremors und des verstärkten physiologischen Tremors steigt mit zunehmendem Alter. Ursache für die Häufung des verstärkten physiologischen Tremors im Alter ist die Zunahme an Allgemeinerkrankungen (zum Beispiel Nierenerkrankungen, Diabetes) und der täglich eingenommenen Medikamente mit zunehmendem Alter. Die Beeinträchtigung durch einen Tremor hängt von dessen Schwere ab. Menschen mit ausgeprägtem Halte- und Bewegungstremor leiden unter massiven Problemen beim Essen, Trinken, Schreiben und manuellen Tätigkeiten. Auch die seelische Stigmatisierung durch einen Tremor ist nicht zu unterschätzen.
Mythos 6: Zittern kann man nicht behandeln
Für die meisten Tremorformen gibt es etablierte wirksame Therapien. Einerseits führen bei fast allen Tremor-Syndromen geeignete Medikamente zu einer Symptomlinderung. Voraussetzung ist die richtige Diagnosestellung. Parkinsonmedikamente helfen zum Beispiel nicht beim essenziellen Tremor. Vor allem beim Kopftremor können Botulinumtoxin-Injektionen hilfreich sein. Insbesondere bei sehr schweren Erkrankungsverläufen führt die medikamentöse Behandlung manchmal nicht zu ausreichender Symptomkontrolle. Sollten die medikamentösen Therapien versagen, können bei einem bestimmten stark ausgeprägten Tremor chirurgische Eingriffe zum Einsatz kommen. Die größte Rolle spielt dabei gegenwärtig die tiefe Hirnstimulation, bei der über implantierte Stimulationselektroden im Gehirn Stromimpulse abgegeben werden, was zu einer Tremor-Reduktion beim essenziellen Tremor, Parkinson-Tremor und dystonen Tremor führt. Vor allem beim essenziellen Tremor kommt auch eine neue Methode, der Magnetresonanz (MR)- gesteuerte hoch fokussierter Ultraschall (MRgFUS oder kurz FUS), zum Einsatz. Dabei handelt es sich um ein neu entwickeltes Verfahren, bei dem ohne Eröffnung der Schädeldecke gezielt eine sehr kleine (aber bleibende) thermische Läsion, also Gewebsläsion durch Erhitzen, in einem bestimmten Kerngebiet im Gehirn gesetzt wird. Dies kann zu einer starken Besserung des Tremors führen.
Mythos 7: „Keiner kennt sich aus“
Die Diagnose von Tremor-Störungen ist tatsächlich anspruchsvoll. Fehldiagnosen sind möglich. Entscheidend ist die Erhebung der Vorgeschichte und eine genaue Untersuchung durch den/die Fachärzt:in für Neurologie. In manchen Fällen wird die Hinzuziehung einer/eines Spezialist:in für Bewegungsstörungen oder eine Vorstellung in einer Ambulanz für Bewegungsstörungen sinnvoll sein. Bei besonderen Tremor-Störungen kann eine genaue Untersuchung des Tremors mit Geräten (zum Beispiel Akzelerometrie) weiterhelfen. In der Abgrenzung eines essenziellen Tremors von einem Parkinson-Tremor kann eine Messung der Dopamin-Nervenzellen mit einer nuklearmedizinischen Methode (DAT SPECT) hilfreich sein. Manchmal ist eine definitive Diagnosestellung nur nach einer Beobachtung über ein bis zwei Jahre möglich. Aber auch bei diagnostisch schwierigen Situationen können Therapien mit Medikamenten gegen das Zittern versucht werden. Manchmal bringt ein gutes Ansprechen auf ein bestimmtes Medikament die endgültige Diagnose. (red)